Die 24 Stunden von Le Mans 2016

Ein japanisches Drama

Le Mans 2016

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Wenn man das Finish des diesjährigen Rennens in ein Drehbuch geschrieben und den Hollywood-Bossen zur Verfilmung vorgelegt hätte, wäre es wohl als zu unrealistisch abgelehnt worden. Das Drama des Toyota-Teams, dem nach einem 23 Stunden und 57 Minuten dauernden Duell mit dem Porsche Team der sicher geglaubte Sieg durch eine defekte Steckverbindung auf dem Weg in die letzte Runde noch entglitt, ist kaum zu beschreiben, deshalb versuche ich es an dieser Stelle auch erst gar nicht. Nach so vielen Versuchen mit tollem Engagement in Le Mans in den letzten 30 Jahren, standen die Japaner wieder mit leeren Händen da. Aber eigentlich ist nur genau das passiert, weshalb wir alle dieses Rennen so lieben: Es ist hart, ehrlich, unerbittlich, und verzeiht keine Schwächen. Es bewahrheitete sich wieder mal eine alte Weisheit aus dem Motorsport: "To finish first, you first have to finish!".

Zurück zum Start: Die diesjährigen 24 Std. von Le Mans wurden geprägt vom Duell zwischen Porsche und Toyota in der LMP1-Klasse und der Neuauflage des Klassikers Ford gegen Ferrari in der GTE-Pro-Klasse. Aus dem erwarteten Dreikampf bei den LMP1-Prototypen wurde nichts, denn Seriensieger Audi war dieses Mal nicht konkurrenzfähig. Dies hatte sich bereits im Training angedeutet: Die 1. Startreihe ging komplett an Porsche, dahinter folgten die beiden Toyotas und erst in der 3. Reihe waren die beiden Dieselautos zu finden. Audi #7 wurde schon in der 1. Stunde durch einen Schaden am Turbolader um 6 Runden zurückgeworfen; Lotterer, Fässler und Treluyer schieden somit schon sehr früh aus dem Kampf um dem Sieg aus. Auch die #8 hatte viele Probleme und lag weit hinter der Spitze. Und so sah es für eine ganze Weile danach aus, das erstmals seit dem Einstieg der Ingolstädter in Le Mans im Jahr 1999 kein einziger Audi auf das Podium fahren sollte. Das es trotzdem noch klappte, obwohl man 11 Runden weniger fuhr als der kurz vor Schluss liegengebliebene Toyota, war schon erstaunlich, aber so sind nun mal die Regeln in Le Mans.

Porsche gegen Toyota: Schon vor dem Rennen war Porsche in der klaren Favoritenrolle, - aber das Toyota zu einem Rennen auf Augenhöhe dabei war, war eine Überraschung. Es entwickelte sich ein erbarmungsloses Rennen mit vielen Führungswechseln und das Duell ging bis in die letzte Runde. Bei Porsche war man etwas schwächer unterwegs, weil die #1 mit dem Weltmeisterteam Mark Webber, Timo Bernhard und Brendon Hartley schon in der ersten Rennhälfte durch technische Defekte aussichtslos zurückfiel. Porsche #2 schaffte pro Stint eine Runde weniger als Toyota (13 statt 14) und konnte dies auch durch höheres Tempo nicht ganz ausgleichen. Aus dem Dreikampf zwischen dem Toyota #6 (führte insgesamt 173 Runden), dem Toyota #5 (führte 104 Runden) und dem Porsche #2 (51 Führungsrunden) wurde gegen Sonntagmittag dann ein Zweikampf, als Kamui Kobayashi die #6 in den Kiesbetten der Porsche Kurven versenkte und in der Folge ca. 3 Runden durch Reparaturen verlor.

Zum Schluss setzten sich die Stuttgarter dann nach 23 Stunden und 57 Minuten durch bessere Zuverlässigkeit durch, obwohl sie in der letzten Rennstunde vermutlich kaum noch mit dem Sieg gerechnet hatten. Aber sie hatten nie nachgelassen in ihrem Druck auf Toyota und das hatte sich ausgezahlt.

Ford gegen Ferrari: Die Neuauflage des Klassikers aus den 60er-Jahren fand genau soviel Beachtung wie der Kampf um den Gesamtsieg. Auch hier dauert das Duell bis zum Schluss - Ferrari musste sich nur knapp geschlagen geben. Ford kam, sah und siegte: Mit nagelneuen Autos sofort zu gewinnen, das haben in der Vergangenheit nicht viele geschafft. Man war das Rennen aber auch sehr ernsthaft und mit großem Einsatz angegangen: Das Werk erschien gleich mit 4 (!) Autos an der Sarthe. Über den Winter hatte man kräftig auf dem Platinum-GT-Fahrermarkt eingekauft: Stefan Mücke, Sebastian Bourdais, Joey Hand, Andy Priaul und 8 weitere Asse teilten sich die 4 Lenkräder. Vorbereitet wurden die Wagen bei Multimatic, eingesetzt vom Ganassi Team, Damit hatte man sich zwei sehr erfahrene Partner an Bord geholt. Ford Performance Boss Dave Pericak machte schon Wochen vor dem Rennen klar, wo die Messlatte hängt. Von Journalisten auf die 4-Wagen-Armada angesprochen (alle anderen Werke setzten nur je 2 Autos ein), meinte er nur "You can't finish 1-2-3 with only 2 cars!".

Der Start begann zunächst wenig verheißungsvoll, da es der Ford #67 aufgrund von Getriebeproblemen gar nicht erst in die Startaufstellung schaffte, sondern mit großer Verspätung von den Boxen aus das Rennen aufnahm.

Nachdem auf nasser Strecke zunächst die Porsche und Ferrari vorne lagen, schlug Ford dann bei trockenen Bedingungen zurück und übernahm die Spitze. Die beiden von AF Corse eingesetzen Werks-Ferraris #51 und #71 konnten den Fords kein Paroli bieten, beide Wagen fielen im Verlauf des Rennens aus. Und so war es dann der private Ferrari #82 des US-Teams Risi Competizione, der die Spannung aufrecht erhielt und dessen Fahrer Giancarlo Fisichella, Toni Vilander und Matteo Malucelli das Rennen bis zum Schluss offen halten konnten.

Am Ende belegten die Ford GTs die Plätze 1, 3, 4 und 9 und das Team aus Dearborn hatte alle Autos ins Ziel gebracht, wow!

Alle anderen Hersteller spielten keine Rolle. Vorjahressieger Corvette brachte nur die #63 abgeschlagen ins Ziel, die Aston Martins waren ebenfalls viel zu langsam unterwegs und der Einsatz des Porsche-Werksteams endete mit einem Fiasko. Lediglich anfangs im Regen konnten die Zuffenhausener das Tempo an der Spitze mitgehen, später fiel man weit zurück und beide Autos schieden schon vor Halbzeit des Rennens aus.

Insgesamt legte die GTE-Pro Klasse 340 Runden zurück. Dabei gingen 15 Führungsrunden an das Porsche Team, alle anderen an die 3 Teams, die am Ende auf dem Podium standen: Der Ferrari #82 kam auf 159 Führungsrunden, der siegreiche Ford #68 auf 155 und der drittplatzierte Ford #69 auf 11 Runden.

Allerdings kam nach dem Training zunächst einmal ziemlicher Unmut seitens der Veranstalter und Wettbewerber auf, als sowohl die Ford GT als auch die neuen Ferrari 488 auf einmal erheblich schneller im Vergleich zum Testtag unterwegs waren. Hier wurde klar, dass insbesondere Ford das wahre Potential des Fahrzeugs bereits während der ersten beiden WEC Läufe sorgfältig versteckt hatte, um zu einer günstigen "Balance of Performance" (BoP) Einstufung zu kommen. Der Veranstalter reagierte und änderte die BoP noch in der Nacht vor dem Rennstart, - ein bisher einmaliger Vorgang. Ford musste 10 kg zuladen und den Ladedruck der Turbolader reduzieren, Ferrari bekam 15 kg aufgebrummt. Zudem wurde den Corvettes und den Aston Martins ein größerer Restriktor zugestanden, die Porsches blieben unverändert. Aber das alles war wohl offensichtlich zu wenig, denn an den Kräfteverhältnissen änderte sich dadurch nichts.

Für den Rest der Saison werden sich Veranstalter A.C.O. und Rennserien-Veranstalter F.I.A. in Sachen BoP wohl noch etwas einfallen lassen müssen, denn für Porsche, General Motors und Aston Martin ist der derzeitige Zustand nicht haltbar - auch nicht im Sinne des Reglements. Das zugrundeliegende Problem ist wohl, das Ford einen Rennwagen gebaut hat, der eine Straßenzulassung erhalten hat, während es bei den anderen Herstellern genau umgekehrt aussieht - dort hat man aus Straßenautos Rennautos gemacht. Wenn der von Ford eingeschlagene Weg zukunftsweisend sein sollte, ist wohl mit einer Kostenexplosion in der GTE-Klasse zu rechnen.

Auch in den Klassen für die Privatiers (LMP2 und GTE-Am) gab es jede Menge Action. Bei den kleinen Prototypen gab es für die einheimischen Zuschauer etwas zu bejubeln, hier siegte das französische Signatech-Alpine-Team überlegen und aufgrund der Ausfälle bei den LMP1 Prototypen lag man zum Schluss sogar auf dem 5. (!) Gesamtrang. In der GT-Klasse für die Amateure setzte sich ein Ferrari 458 mit einer rein amerikanischen Fahrermannschaft durch.

Die Zielquote war in diesem Jahr bemerkenswert hoch. Insgesamt traten 60 Fahrzeuge an, 4 mehr als sonst, denn der A.C.O., hatte zusätzliche Boxen bauen lassen. 44 Autos kamen in die Wertung, 5 wurden aus verschiedensten Gründen nicht gewertet und nur 11 Fahrzeuge fielen komplett aus.

Für uns ging das Rennen dann letztendlich mit sehr gemischten Gefühlen zu Ende: Der auf so dramatische Weise verpasste Sieg unserer Kölner Heimmannschaft (die Toyota-Prototypen werden in Köln-Marsdorf gebaut) hat uns natürlich sehr getroffen, nach so vielen tollen Vorstellungen in Le Mans und diesem Rennverlauf hätten die wirklich einen Sieg verdient gehabt.

Aber auf der anderen Seite gab es auch große Freude über den Sieg von Ford bei den GTs, denn zwei von uns arbeiten bei Ford in Köln und waren mit viel persönlichem Einsatz bei den Vorbereitungen dabei. Am Donnerstag während des Trainings gab es sogar eine Führung durch die Ford-Garagen im Fahrerlager für uns, ein tolles Erlebnis. Im Kölner Ford-Werk wurden die 24 Std. live für die Mitarbeiter und deren Familien übertragen und unser Zeltlager glänzte mit jeder Menge Ford-Werbung. Das Ford-Le-Mans-Programm ist auf mindestens 2 Jahre ausgelegt, wir können uns also bereits auf die Neuauflage 2017 freuen.

Team LeMansZone 2016

  • Hansgerd Bramann
  • Ihno Goldenstein
  • Gerd Grau
  • Thomas Höving
  • Hendrik Hustert
  • Werner Kirchmann
  • Michael Kirsch
  • Andy Lipsius
  • Andreas Lörzer
  • Sebastian Raiss
  • Stefan Salewski
  • Rolf Sommer
  • Alfred Thusch

Zeltplatz: Bleu Nord

Eintrittskarte 2016

Rennergebnis